Nachhaltig Bauen: 7 Mythen zu Stroh, Holz und Lehm

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In ein Wohnprojekt zu ziehen, darauf hatten mein Mann und ich richtig Bock. Aber als wir uns für Querbeet entschlossen haben, verstanden wir, dass es sich hier um viel mehr handelt, als um ein Wohnprojekt mit lebensbejahenden Menschen. Denn auch die Bauweise ist eine ganz besondere. Im Laufe der Zeit, haben sich für uns die nachfolgenden 7 Mythen über die Bauweise mit Stroh, Holz und Lehm aufgetan, und wir wissen jetzt, dass wir sowohl mit den Menschen im Wohnprojekt goldrichtig liegen, als auch mit dieser besonderen, nachhaltigen Bauweise.

1. Umweltsünde und kurzlebig?

Ganz und gar nicht. Im Baubereich braucht es heute unter ökologischen Gesichtspunkten Materialien, die möglichst langlebig sind und zugleich unschädlich in die Natur zurückgeführt werden können. Die allermeisten „modernen“, „industriellen“ Baustoffe haben damit aber ein Problem, erklärt unser Architekt Dirk Scharmer. Sie hinterlassen häufig schädliche Stoffe und erzeugen große Müll- und Schuttmengen, aber der Dämmstoff Stroh tut das nicht. Industrielle Dämmstoffe mögen zwar in der Anschaffung billiger sein, aber bei Herstellung und Entsorgung sind sie problematisch und im Brandfall sogar extrem gesundheitsschädlich. Als pflanzlicher Baustoff konserviert Stroh zudem das im Wachstum gebundene CO2 für lange Zeit und wirkt so als Klimaschützer.

Lehm hat die Eigenschaft, das Holz und den Stroh zu entfeuchten und zu konservieren. Er bindet Schadstoffe, speichert Wärme, reguliert die Luftfeuchtigkeit und erzeugt ein gesundes Raumklima. Bereits das Auftragen, die Verarbeitung von Lehm wirkt gesundend auf Körper und Geist, da es schadstofffrei ist und mit einer Handwerkskunst einhergeht. Lehm ist regional in rauen Mengen verfügbar und kommt ohne chemische Verarbeitung aus. Der enthaltene kostbare Sand kann am Ende der Lebenszeit problemlos recycelt werden. Lehm selbst ist unendlich wiederverwendbar.

Damit ist Lehm ein wiederentdeckter, organischer, nachhaltiger und moderner Baustoff. Es gibt zahlreichen Bau-Beispiele, die zeigen, dass Lehm als Baustoff nicht nur kurzfristig eine sehr gute Wahl ist, sondern auch besonders langlebig ist: Ein Beispiel ist der große und beeindruckende Lehmbau der Alnatura-Zentrale in Darmstadt, die Kapelle der Versöhnung in Berlin, die Kräuterhalle von Ricola aus der Schweiz, das Kolumba Kunstmuseum in Köln oder ganz in der Nähe der Speicherbogen im Hanseviertel Lüneburg.

2. Stroh als Abfallprodukt?

Ja, leider, besonders wenn man bedenkt, dass es möglich wäre, durch den aktuellen Strohvorrat ganze 350.000 langlebige Familienhäuser zu bauen. Stattdessen bleibt diese wertvolle Ressource als Abfallprodukt leider viel zu häufig ungenutzt. Das wollen wir ändern!

Stroh als Baustroh gehört dank seiner hohen Energieeffizienz (es fällt praktisch keine Herstellungsenergie an, da Strohballen ohnehin erzeugt werden), seiner regionalen Verfügbarkeit, des Verzichts auf chemisch-synthetische Zusatzstoffe und der leichten Entsorgbarkeit zu den besonders ökologischen Baumaterialien, die somit auf keinen Fall in den Müll gehören.

3. Feuer, Feuchte, Viecher?

Bei so natürlichen Baustoffen, kamen uns direkt diese 3 Einwände: Feuer, Feuchte, Viecher in den Sinn. Wir lernten, dass bei fachgerechter Verbauung Stroh absolut keine größere Brandgefahr darstellt, als konventionelle Baustoffe. Es verrottet nicht und wird nicht von Nagetieren und Ungeziefer befallen.

Verglichen mit einem „Telefonbucheffekt“ bedeutet das: Obwohl dieses aus Papier ist, geht der Wälzer nicht gleich in Flammen auf, weil die dicht aufeinanderliegenden Seiten keinen Sauerstoff hineinlassen. Diese Eigenschaft hat den Strohballen im deutschen Baurecht die Einstufung in die Baustoffklasse DIN 4102-B2 („normal entflammbar“) verschafft. Darüber hinaus werden Strohproben nach Pestiziden untersucht und auch hier konnten keine schädlichen Rückstände oder ähnliches nachgewiesen werden.

4. Lehm als Baustoff: Kompliziert und teuer?

Ein bisschen Wahrheit steckt drin, denn die Verarbeitung mit Lehm ist wirklich ein Kunsthandwerk. Diese Technik erfordert handwerkliches Geschick und wirkt nicht nur für die späteren Bewohner wohltuend mit einem sehr angenehmen Klima, sondern der Lehm entwickelt seine Vorteile bereits bei der Verarbeitung. Er wirkt wohltuend und gesundend direkt beim auftragen. Also kann man sagen, mit Lehm zu bauen, da steckt auch was erbauliches für den Menschen drin.

Da diese Technik in Vergessenheit geraten ist, verfügen nicht viele Handwerker über diese Handwerkskunst. Das macht die Sache für den Endverbraucher finanziell teurer. Denn leider fehlt diesen Baustoff-Wunderwaffen tatsächlich eine Lobby, die sie so günstig machen, dass es eine wirklich wirtschaftliche Konkurrenz zu Stahl und Beton darstellt. Viele Architekten, Verbände und Menschen setzten ihre Energie bereits seit Jahren erfolgreich ein, um dies zu ändern. Und es werden immer mehr! Die Kosten der Natur berücksichtigt, zeigt sich der Einsatz dieser Materialien also nicht als teuer sondern als absolut investitions würdig.

5. Wände aus Stroh zu errichten ist neu?

Nein, schon in den 1930er Jahren wurden im US-Bundesstaat Nebraska Kirchen und andere Gebäude mit Wänden aus gepressten Strohballen konstruiert. Nicht aus Öko-Faible, sondern weil es im weitflächigen Kornkammerland an Stein und Holz mangelte. Auch Lehm gehört zum ältesten Baustoff. Heute sind sie wiederentdeckt. 2002 kam der Bautrend nach Deutschland. Jedoch wird diese Bauweise immer noch nicht mit mit den Zuschüssen gefördert, die es bräuchte, um dem konventionellen Beton die Stirn zu bieten!

6. Eigenleistungen sind nicht drin?

Besonders beim Stroheinbau ist Eigenleistung möglich und macht auch noch Spaß!

Querbeet hat sich diese Aktion auch auf die Fahne geschrieben und hat den Termin zum Stroheinbau schon im Terminkalender eingeplant. Hier geht ein ganzen Projekt in Planung, um unsere Baustelle als Real-Labor und Lernort Interessierten zur Verfügung zu stellen und selbst anzupacken. Wir werden berichten!

7. Holz ist doch auch ein knapper Baustoff?

Ja, das stimmt. Doch Holz, im Gegensatz zu Beton, ist ein nachwachsender Baustoff, auch wenn dieser in sparsamen Mengen aus ökologischer Sicht verwendet werden muss. Mit der Kombination Stroh, Holz und Lehm wird vergleichsweise weniger Holz verwendet.

Im Zusammenspiel mit Lehm, der überall regional verfügbar ist, ergibt sich ein besonderer Vorteil, denn er wirkt als natürlicher Holzschutz. Dadurch werden Hölzer, die in Verbindung mit Lehm eingebaut sind, trocken gehalten und konserviert. Dies sorgt nicht nur für die Langlebigkeit des Holzes, sondern auch dafür, dass das Holz nicht von Pilzen oder Insekten befallen wird. Dadurch wird unter anderem das Recycling dieses Baustoffs nach Ende der Lebenszeit ermöglicht.

Zum Nachlesen und verwendete Quellen: